Nachdem wir uns im letzten Teil sehr ausführlich mit Mehl beschäftigt haben, kommt es jetzt zur Verarbeitung. Für einen Teig braucht man auf jeden Fall Mehl, Wasser, Salz und ein Triebmittel (meistens Hefe). Häufig findet man auch noch Öl und Zucker als Zutaten. Was das Mehl ausmacht habe ich ja schon beschrieben. Schauen wir uns den Rest an.
Wasser
Keine Sorge, man muss sich kein spezielles italienisches Wasser bestellen – Leitungswasser ist völlig in Ordnung. Tatsächlich spielt die Menge aber eine tragende Rolle. Um so mehr Wasser man in seinen Teig gibt um so besser geht die Pizza auf und um so heißer und länger kann man sie backen ohne das sie verbrennt oder zu hart wird. Deshalb ist ein hoher Wasseranteil eigentlich immer zu begrüßen und wird bei der neapolitanischen Pizza sogar benötigt. Dummerweise steigt mit der Wassermenge aber die klebrigkeit und damit auch der Schwierigkeitsgrad bei der Verarbeitung des Teigs.
Beim Fachsimpeln über den Wassergehalt von Pizza spricht man in Bäckerprozenten. Die Mehlmenge in Gramm wird als 100% angenommen und der Wasseranteil wird in Relation dazu angegeben. Mischt man also ein 1000g Mehl mit 600ml Wasser dann spricht man von einem Teig mit 60% Hydration. Auf die selbe Weise werden manchmal auch Salz- und Hefemenge angegeben.
Wie viel Wasser ein Teig verträgt hängt vom verwendeten Mehl ab und wie gut man mit klebrigem Teigen umzugehen kann. Umso höher der Glutenanteil im Mehl, umso mehr Wasser kann das Mehl binden und um so mehr Erfahrung man darin hat eine Pizza zu formen, um so mehr Wasser kann man sich zutrauen. Als Anfänger ist 60% Hydration ein guter Startwert. Hat man gutes italienisches Pizzamehl kann man auch mit 65% anfangen. Funktioniert das formen gut kann man sich an höhere Prozentsätze heranwagen. 67-70% ist für viele der Sweet Spot, aber nach oben gibt es eigentlich keine Grenzen. Bei manchen Blechpizzen wie der römischen oder bei Foccacia kann es durchaus sein das 85% Wasser verwendet werden. Allerdings müssen diese Pizzen auch nur in ein Blech geformt werden.
Salz
Natürlich braucht man Salz um dem Teig Geschmack zu geben. Je nach Gusto sollten es 2-4% (ich nehme 3%) der Mehlmenge sein. Aber es verändert auch die physikalischen Eigenschaften des Teigs. Man weiß noch nicht genau warum, aber Salz verstärkt das Glutennetzwerk enorm. Die gängigste Theorie geht davon aus das der durch das Salz veränderte PH Wert eine Rolle spielt.
Man sollte beim mischen der Zutaten übrigens aufpassen. Wenn man das Salz und die Hefe im Wasser auflöst kann es sein das die Salzkonzentration so hoch ist das die Hefe stirbt. Immer eines von beiden zuerst mit dem Mehl mischen.
Zucker
Zucker ist keine typische Zutat in einem klassischen Pizzateig. Allerdings kann Zucker dazu beitragen mehr Geschmack in den Teig zu bekommen und er macht die Kruste weicher. Ähnlich wie das Salz fungiert der Zucker als Geschmacksverstärker und hebt den natürlichen Geschmack des Weizenmehls hervor. Außerdem karamellisiert er, was der Kruste eine schönere Farbe und einen komplexeren Geschmack gibt. Im übrigen braucht es, wie Ich schon oft gelesen habe, keinen Zucker um die Hefe zu füttern, sonst würde ja auch ein klassischer Teig nicht funktionieren.
Hefe
Wo wir gerade bei der Hefe sind: Hefen sind Mikroorganismen die mit den Pilzen verwandt sind. Bei der Hefe die wir zum backen verwenden wurden diese kleinen Mikroorganismen vom Menschen so gezüchtet das sie Enzyme bilden (hauptsächlich Amylase und Maltase), die die langen Kohlenhydratketten (Stärke) im Mehl aufbrechen. Amylase wandelt Stärke in Maltose (Zweifachzucker) um und Maltase wandelt den wiederum zu Glukose (Einfachzucker) um. Die Glukose dient der Hefe als Nahrung und ermöglicht ihr sich zu vermehren. Als „Abfallprodukt“ erzeugt die Hefe dann Alkohol, Wärme und Kohlenstoffdioxid. Als Pizzabäcker interessiert uns eigentlich nur das Kohlenstoffdioxid durch das wir viele kleine Blasen in den Teig bekommen.
Es gibt verschiedene Arten von Hefe. In Deutschland findet man hauptsächlich Frischhefe und moderne Trockenhefe. In anderen Ländern findet man auch altmodische Trockenhefe, die bevor sie benutzt werden kann eingeweicht werden muss. Habe Ich in Deutschland allerdings noch nie gesehen. Frische Hefe schmeckt aromatischer nach Hefe, was bei einem Hefezopf durchaus erwünscht ist, bei einer Pizza allerdings eher weniger. Ich benutzte eigentlich immer Trockenhefe und fahre damit sehr gut.
Es gibt im Internet viele Diskussionen über die Menge an Hefe die man verwenden soll. Manche Leute gehen in die extreme und benutzen bei einer Kaltfermentation (dazu später mehr) so geringe Mengen das man dafür eine Feinwaage braucht. Ich war da schon immer skeptisch und habe einen Versuch durchgeführt. Ich habe einmal einen Teig mit 3 Gramm Trockenhefe auf 1kg Mehl angesetzt (halb so viel wie Ich normalerweise benutze) und einen Teig mit 14 Gramm (doppelt so viel). Nach einigen Tagen im Kühlschrank habe Ich beide gebacken und überhaupt keinen Unterschied festgestellt… Ich schätze mal das diese „Tradition“ mit der wenigen Hefe einfach daher kommt das man früher sparsam damit umgehen wollte. Heutzutage wo ein Päckchen Hefe einige Cent kostet spare Ich mir das allerdings gerne.
Theoretisch bräuchte es eigentlich gar keine Hefe um eine Pizza zu machen und vermutlich enthielten die Vorläufer der Pizza auch keine zugesetzte Hefe im heutigen Sinne. Wie beim deutschen Brot heute noch, wurde in Italien früher auch ein Sauerteig zum backen benutzt (der dann allerdings wiederum wilde Hefen enthält). Um eine wirklich gute Pizza nur mit Sauerteig backen zu können bräuchte es allerdings schon einen sehr guten Sauerteig und einiges an Erfahrung im Umgang damit. Was deutlich praktikabler ist, ist ein Mischung aus moderner Hefe und Sauerteig um den Geschmack zu verbessern und trotzdem einen luftigen Rand zu bekommen.
Öl
Oft wird man lesen das Öl nichts in einem Pizzateig zu suchen hat, weil das original neapolitanische Pizza Rezept auch keins enthält. Wie so oft ist das natürlich nur die halbe Wahrheit.
Erstens: Pizza ist aus der viel älteren Focaccia entstanden. Focaccia badet quasi in Olivenöl. Es gab also sicher auch mal in Neapel ein Pizza die Olivenöl enthielt.
Zweitens: Rom und Neapel streiten sich schon immer darum wer die Pizza erfunden hat und werden das wohl auch nie zu 100% klären können. In der römischen Pizza ist Öl eine Grundzutat.
Das hat auch seinen Sinn. Die römische Pizza wird länger und bei niedrigerer Temperatur gebacken. Dabei verdampft mehr Wasser und die Kruste würde ohne Öl austrocknen. Öl verdampft erst bei über 300 Grad. So kann eine knusprige Kruste entstehen die aber nicht ausgetrocknet ist. Besonders in einem Heimbackofen, der normalerweise ja nicht so heiß wird, macht Öl also durchaus Sinn.
Zusätzlich bringt ein kräftiges Olivenöl natürlich auch Geschmack in den Teig. Ob man den in einer Pizza mag oder nicht kann jeder selbst entscheiden.
Einschub: Pizza Stile
Ich habe das oben schon anklingen lassen: Es gibt nicht die eine Pizza und deshalb gibt es auch nicht die eine Wahrheit bzw. den einen Teig. Wie schon erwähnt gibt es auch in Italien verschiedene Varianten.
Die neapolitanische Pizza ist (auch durch gutes Marketing) International sehr berühmt geworden. Sie wird in sehr heißen, oft holzbefeuerten Öfen gebacken und erhält dadurch einen sehr luftigen, dicken Rand. Der Boden ist recht weich und man kann das Pizzastück nicht einfach am Rand halten ohne das die Mitte einklappt. Tatsächlich ist es auch nicht gewünscht das die neapolitanische Pizza richtig knusprig wird.
Auch wenn die neapolitanische Pizza berühmter ist, ist die römische Variante in Italien verbreiteter. Das liegt wahrscheinlich daran dass auch in Italien nicht an jeder Ecke ein teurer, schwer zu bedienender, fünfhundert Grad heißer Holzofen steht. Die römische Pizza wird auf großen Blechen in normalen Elektroöfen gebacken und in viereckigen Stücken als Streetfood verkauft. Der Rand ist nicht so luftig, dafür aber knusprig.
Kraft und Zeit
Im ersten Teil der Artikelserie habe Ich ja schon ausführlich über Gluten geschrieben. Jetzt ist es aber nicht so als würde man Wasser und Mehl zusammen in eine Schüssel füllen und das Gluten erscheint sofort auf magische Weise. Die Glutenin Eiweiße müssen sich zu langen Eiweißketten verbinden, die unserem Teig dann die gewünschte Elastizität geben. Dafür gibt es zwei Techniken. Entweder man knetet den Teig gut durch oder man lässt ihn für längere Zeit fermentieren. Ich mache beides.
Fangen wir mit dem Kneten an. Theoretisch kann man das von Hand machen, aber ein Standmixer mit Teighaken (ala Kitchenaid Artisan, Bosch Mum, Kenwood Chef) ist eine sehr willkommene Hilfe. Ich gebe alle Zutaten in die Schüssel und lasse die Maschine einmal alles durchmischen (für ca 30 Sekunden). Dann lasse ich den Teig für 15 Minuten stehen um dem Mehl die Möglichkeit zu geben das Wasser aufzunehmen. Danach knete ich nochmal für 10 Minuten. Wer keinen Mixer hat sollte die Zutaten einfach zu einem Teig formen und sich auf die Fermentierung verlassen.
Es wird jedem klar sein das ein Hefeteig gehen muss. Vom Hefezopf der Oma kennt man das ja so: Man stellt die Schüssel mit dem Teig, abgedeckt mit einem Küchentuch an einen warmen Ort und dann so eine Stunde später ist der Teig fertig. Das geht mit einem gekneteten Pizzateig auch, aber wir wollen ja das beste aus unserer Pizza heraus holen.
Das Zauberwort lautet Kaltfermentation. Man stellt den Teig luftdicht verpackt und mit Platz zum gehen (große Tupperbox/Schüssel eignet sich gut) in den Kühlschrank und lässt ihn dort zwischen einer Nacht und bis zu fünf Tagen gehen. Durch die niedrige Temperatur arbeitet die Hefe viel langsamer und produziert deshalb langsamer CO2. Wie bei einem Luftballon der langsam aufgeblasen wird, werden so die kleinen CO2 Blasen im Teig weniger wahrscheinlich platzen. Außerdem ist bei niedriger Temperatur die Gefahr geringer das die Hefe ein Eigenleben entwickelt und z.B. anfängt Milchsäure zu produzieren, die dem Teig dann einen komischen Geschmack verleihen würde.
Zu guter Letzt sorgen chemische Prozesse zwischen den Eiweißen und verschiedenen Enzymen dafür das diese sich leichter mit anderen Eiweißmolekülen verketten. Wir bekommen ein noch stärkeres Gluten Netz. Tatsächlich sieht man das sogar. Nachdem man den Teig aus dem Kühlschrank holt besitzt er im inneren ein feines Netz das an ein Spinnennetz erinnert.
Wichtig: Um das Gluten-Netz weiter zu stärken sollte man den Teig während der Fermentation ein mal am Tag falten. Wenn man sich den Teig grob als quadratischen Haufen vorstellt, einfach eine Kante nehmen, hoch ziehen, über den restlichen Teig falten und wider einigermaßen in Form drücken. Das macht man ein mal mit allen vier Kanten und fertig. Ich nehme den Teig dazu nicht einmal aus der Tupperbox. Dauert keine 60 Sekunden aber macht einen deutlichen Unterschied.
Sinn der Übung ist zum einen ein erneutes durchmischen um der Hefe neue Nahrung zu geben und zum anderen spannt man die entstandenen Gluten-Stränge übereinander wie ein Netz. Man merkt auch im laufe der Tage deutlich wie sich die Konsistenz des Teiges verändert. Beim ersten mal falten kann es durchaus sein das der Teig beim hochziehen abreißt (völlig egal). Beim letzten mal hat man durchaus Schwierigkeiten ihn zu hoch zu ziehen weil die Konsistenz an die eines Kaugummis erinnert.
Mehr Zeit
Den ganzen Prozess den Ich soeben beschrieben habe nennt man Stockgare. Man könnte nun (wie ich es getan habe bevor Ich mich mit Pizza beschäftigt habe) einfach ein Stück vom Teig abreißen und versuchen daraus eine Pizza zu formen. Das geht aber nicht wirklich gut. Man bekommt den Teig nicht groß genug und muss auf ein Nudelholz zurückgreifen. Das Nudelholz drück sämtliche kleinen Luftblasen aus dem Teig und nach dem backen bekommt man ein Knäckebrot… Weil wir genau das nicht wollen braucht es nach der Stockgare eine weitere Ruhephase in der sogenannten Stückgare.
Wie der Name schon sagt geht der Teig dabei in Stücken. Nämlich in der Portionsgröße die wir später für die Pizza brauchen. Das sollten so 250-300g sein, je nach dem wie groß die Pizza werden soll und wie hoch der Wasseranteil ist. Mein Daumenmaß sind sechs Pizzen aus einem Kilo Mehl. Zum teilen eignet sich ein Teigschaber oder ein Messer. Ich würde immer empfehlen die Teigstücke zu wiegen.
Aus den leicht bemehlten Teigstücken formt man dann möglichst runde Teiglinge. Dafür zieht man die Oberfläche rund herum immer wieder nach unten um Spannung aufzubauen. Dann setzt man den Teigball auf eine leicht bemehlte Oberfläche und rollt ihn mit einer hohlen Hand bis auch die Unterseite glatt ist. Siehe Video.
Die Stückgare selbst geschieht bei Raumtemperatur und einigermaßen Luftdicht. Sonst trocknet die Oberfläche aus. Im Idealfall besorgt man sich eine Pizzagärbox in der das ganze am besten geht. Alternativ funktioniert es auch auf der Arbeitsplatte und leicht mit Frischhaltefolie bedeckt oder auf verschiedene kleine Tupperboxen verteilt. Das ganze geht dann je nach Temperatur 2-3 Stunden.
Im nächsten Teil der Artikelserie geht es dann um das formen und backen der Pizza in einem normalen Backofen.
Rezept für Pizzateig (TL;DR)
Zutaten:
- 1Kg Mehl (Pizzamehl oder 550er mit hohem Eiweißanteil, am besten Molino Caputo Cuoco oder Pizzeria)
- 600-700ml Wasser (Menge abhängig von Mehl und Erfahrung)
- 30g Salz
- 1 Päckchen Trockenhefe (ca 7g)
- 30g Zucker (optional)
- 30ml Olivenöl (optional)
Methode:
- Mehl in einer Schüssel mit der Hefe mischen
- Alle restlichen Zutaten dazugeben und vermengen bis man kein rohes Mehl mehr erkennt (am besten mit einem Standmixer)
- 15 Minuten stehen lassen
- 10 Minuten kneten
- In ein luftdichtes großes Gefäß umfüllen und für mindestens eine Nacht und bis zu 5 Tagen im Kühlschrank aufbewahren
- Ab und zu den entstandenen Überdruck ablassen
- Jeden Tag den Teig ein mal falten (Eine Seite des Teiges hochziehen und über den Rest falten, ein mal mit allen vier Seiten wiederholen)
- Aus dem Teig sechs ca 250-300g schwere Bälle formen und abgedeckt 2-3 Stunden gehen lassen.
- Aus einem Ball eine Pizza formen und belegen.
- In einem möglichst heißen Ofen backen bis der gewünschte Bräunungsgrad erreicht ist.