Pizza Teil 1: Mehl

Pizza ist wohl eines der bekanntesten, beliebtesten und am schwersten zu meisternden Gerichte der Welt. Ich habe mich seit nun über einem Jahr daran gemacht die Geheimnisse der Pizza zu lüften. Weil das aber sehr viel Material geworden ist werde Ich diesen Blogpost unterteilen.

Fangen wir bei den Grundlagen an und machen einen Deep-Dive in eine der wichtigsten Zutaten der Menschheit:

Mehl

Welches Mehl man für seinen Pizzateig benutzt ist vermutlich eine der kritischsten Entscheidungen die man bei der Herstellung treffen muss. Um zu verstehen warum, muss man erst einmal verstehen wie Mehl hergestellt wird. [Disclaimer: Man kann auch aus anderen Getreiden Pizza machen aber wir beschränken uns hier auf Weizenmehl. Es ist auch so schon kompliziert genug.]

Ein Weizenkorn besteht im Grunde aus drei Komponenten. Mehreren Schalen, einem Keimling und dem stärkehaltigen Mehlkörper. Zerreibt man ein ganzes Weizenkorn zwischen zwei Steinen einfach so lange bis es fein genug ist, erhält man Vollkornmehl.

Vollkornmehl hat einige Vorteile und viele Nachteile.

Vorteile:

  • Es gilt als gesünder als Weißmehl, weil die Schalen viele Ballaststoffe und der Keimling Eiweiße, Vitamine, Öle und Spurenelemente enthält.
  • Es ist relativ einfach herzustellen
  • An der Schale sitzen wilde Hefen die man braucht um einen Sauerteig anzusetzen (Früher praktisch weil es keine Zuchthefe gab)

Nachteile:

  • Früher konnte man Vollkornmehl nicht lange lagern weil die Öle schnell ranzig wurden (Inzwischen gibt es dafür technische Lösungen).
  • Der hohe Anteil an zermahlener Schale und der geringe Glutengehalt macht Vollkornteig schwer formbar. Deshalb ist Vollkornbrot oft in einer Kastenform gebacken.
  • Ebenfalls durch den geringen Glutengehalt, geht Vollkornteig nicht besonders gut auf. Vollkornbrot ist deshalb sehr kompakt.
  • Die Schalenanteile im Mehl schmecken nicht besonders gut.

Aus diesen Gründen hat die Menschheit angefangen die Schalen und den Keimling vom Mehlkörper zu trennen. Beim zerreiben zerfällt der Mehlkörper viel schneller und einfacher als die Schale und der Keimling. Quetscht man das Korn zwischen zwei Steinplatten nur leicht und fängt auf was dabei herausfällt, enthält man sehr reines Mehl. Nimmt man den Rest und quetscht ihn etwas mehr, kommen winzige Teile der Schalen und des Keimlings ins Mehl und ergeben ein etwas dunkleres Mehl. Quetscht man dann noch mehr wird es noch dunkler, etc. So entstehen verschiedene Arten von Mehl. Angegeben wie exzessiv gequetscht wurde, wird im sogenannten Ausmahlungsgrad. Jetzt könnte man denken dass ein Mehl das wenigs ausgemahlen ist auch das beste zum backen ist weil keine störenden Stoffe enthalten sind. Dem ist allerdings nicht unbedingt so, denn es spielen noch andere Faktoren eine Rolle.

Gluten

Im Weizenmehl sind die Eiweiße Glutenin und Gliadin enthalten. Ungefähr 80% des im Weizenmehl enthaltenen Eiweiß besteht aus den beiden. Wir dem Mehl Wasser hinzugefügt, wird die Stärke weiche und die beiden Eiweiße bekommen die Möglichkeit sich zu bewegen. Glutenin Moleküle kann man sich wie zusammengeknüllte Schnüre vorstellen. Durch Wasser und Bewegung entknüllen sie sich und verbinden sich mit anderen Glutenin Molekülen. Das bildet lange Eiweißketten die den Teig fest machen und verhindern das er reißt. Die Gliadin Moleküle hingegen sind wie kleine Kugeln geformt und setzten sich zwischen die Gluteninstränge. Sie fungieren dort wie kleine Kugellager und ermöglichen den Schnüren sich aneinander vorbei zu bewegen ohne sich zu verbinden. Dadurch wird der Teig elastisch.

Das netzartige Eiweißstruktur die die beiden zusammen aufbauen wird als Gluten bezeichnet. Diese Struktur ermöglicht es erst das ein Teig entsteht und nicht einfach Stärkematsch. Umso glutenhaltiger das Mehl, umso elastischer der Teig und um so mehr Wasser kann er aufnehmen. Außerdem sorgt Gluten erst dafür das Brot locker wird. Durch Hitze dehnt sich das CO2, das die Hefe im Teig erzeugt hat, aus und lässt das Gebäck aufgehen. Anders gesagt: Im Teig entstehen winzige Luftblasen. Ist der Teig (durch viel Gluten) dehnbar genug, platzen diese nicht und werden größer. Erreicht das Gluten eine gewisse Temperatur, denaturiert es (wie das Eiweiß in einem Spiegelei) und wird fest. Die Luftblasen werden so stabil und bleiben auch nach dem abkühlen bestehen. Das ergibt dann das Bild das man sieht wenn man z.B. ein Bauernbrot aufschneidet. Für eine gute Pizza ist Gluten extrem wichtig weil man sie ja möglichst groß und dünn ziehen will und der Rand luftig aufgehen soll.

Eiweiß

Zurück zu unserem Weizenkorn vom Anfang. Die Schale wollen wir nicht unbedingt, weil sie die Backeigenschaften verschlechtert und schlecht schmeckt. Der Keimling allerdings ist der eiweißreichste Teil des Korns und damit auch der glutenreichste (~25%). In schwach ausgemahlenem Mehl sind kaum Teile des Keimlings erhalten, was den Eiweißgehalt des Mehls auf ca. 9-10% senkt. Das ist gut für einen Kuchen, denn der soll ja relativ locker sein und sein Teig muss nicht von Hand in Form gebracht werden. Wenn man aber ein Brot oder gar eine Pizza backen will ist das ein Nachteil. Der Teig wäre durch den fehlenden Kleber rissig und unelastisch, man könnte ihn schlecht formen und er würde relativ wenig aufgehen. Es macht also Sinn ein Mehl zu benutzen das Teile des Keimlings enthält um den Eiweißgehalt zu erhöhen.

Offensichtlich gibt es für verschiedene Anwendungen, verschieden zusammengesetzte Mehlsorten. In einem gut sortierten Supermarkt kann das Mehlregal ja durchaus enorme Dimensionen einnehmen. Damit man sich als Kunde dabei irgendwie orientieren kann wurden staatlich vorgeschriebene Klassifizierungen für Mehlsorten eingeführt.

Deutschland

In Deutschland gibt es dafür die DIN Norm 10355 die Mehl einem sogenannten Type zuordnet. Die Type Nummer gibt an wie viel Milligramm Mineralstoffe (ungefähr) übrig bleiben wenn man das Mehl bei 900 Grad verbrennt. Stärker ausgemahlenes Mehl enthält mehr Mineralstoffe aus der Schale und dem Keimling und dementsprechend eine höhere Nummer. Type 405, 550 und 1050 sind für Weizenmehl die üblichen Vertreter im Supermarkt.

  • Type 405 ist speziell für Kuchen und Kekse gedacht und das am wenigsten ausgemahlene Mehl mit einem geringen Eiweißanteil. Man könnte damit auch eine Pizza machen, aber der Teig würde schwer auf eine vernünftige Größe zu bringen sein ohne das Löcher entstehen und der Boden würde eine Keksartige Konsistenz bekommen.
  • Type 1050 enthält schon deutlich Schale. Es hat deshalb einen intensiveren Geschmack und eine leicht dunklere Farbe. Am besten geeignet ist es z.B. für rustikale Brote (Beim Bäcker oft als halbweißes Brot zu kaufen). Man könnte damit wahrscheinlich auch eine Pizza backen, aber ideal ist es nicht.
  • Type 550 ist der Mittelweg. Es enthält nicht sonderlich viel von der Schale aber mehr Eiweiß als 405er. Damit ist es für Gebäck geeignet was gut aufgehen soll. Brötchen, Baguette, usw. Auch trifft es in dieser Klassifizierung am ehesten die Eigenschaften die man für Pizza braucht.

ABER: So einfach ist es dann natürlich auch wieder nicht. Es gibt zig verschiedene Weizensorten die verschiedene Eigenschaften aufweisen und unter anderem auch sehr verschiedene Mengen von Gluten enthalten (und auch Preislich sehr starke Unterschiede haben). Weil man nicht weiß aus welchem Weizen das Mehl hergestellt ist sagt die deutsche Klassifizierung also nur bedingt etwas über den Glutenghalt des Mehls aus.

Italien

In Italien gibt es Analog die Tipo Kennzeichnung. Jetzt werden viele sofort an das Tipo 00 Mehl denken das man oft für Pizzateig empfohlen bekommt. Das ist aber nicht wirklich der Wert nach dem wir suchen. Tipo 2, 1, 0, 00 geben im Prinzip auch nur den Ausmahlgrad an wie bei uns der Type. Tipo 2 entspricht ungefähr Type 1050, Tipo 0 entspricht ungefähr Type 550, Tipo 00 entspricht ungefähr Type 405. Halt mal – Wir haben doch eben 405er als ungeeignet für Pizza erkannt, aber Tipo 00 ist doch DAS Pizzamehl? Jein.

Durch die Jahrhunderte alte Pizzatradition (In Deutschland wird vor 1970 kaum jemand gewusst haben was Pizza überhaupt ist) haben die Italienischen Bauern um Neapel spezielle Weizensorten gezüchtet und die Müller spezielle Verfahren entwickelt um ein Mehl speziell für Pizza und Focaccia herstellen zu können. Das Ergebnis ist ein solch leicht ausgemahlenes Mehl mit einem hohen Glutengehalt von bis zu 13-14%.

Da man in Italien ja aber auch Kuchen backt und dafür auch ein Mehl braucht, gibt es zusätzlich zu der Tipo Kennzeichnung desöfteren einen W Wert auf der Packung der die Mehlqualität angibt. Mehlqualität geht hier fast Hand in Hand mit Glutengehalt. Ist dieser W Wert niedrig (< 170) handelt es sich um Mehl für Kuchen, Gebäck usw. ähnlich unserem 405er. Ist der Wert über 300 eignet sich das Mehl sehr gut für Pizza und Brot. In Deutschland wird oft empfohlen Typo 00 zu kaufen wenn man Pizza macht, deshalb wird bei uns fast nur Typo 00 mit hohem W Wert importiert. Das andere gibt es meistens einfach nicht zu kaufen weil es sich nicht groß vom üblichen 405er unterscheidet.

USA

Was hat die USA mit Pizza zu tun? Erstens essen sie pro Kopf am meisten Pizza auf der Welt. Zweitens haben sie durch Einwanderer eine längere Pizzatradition als z.B. Deutschland. Ich bin mir relativ sicher das man die beste Pizza außerhalb Italiens wahrscheinlich in New York findet. Außerdem werden viele der besten Webseiten die man für Rezepte findet von US-Amerikanern betrieben und Ich finde ihr System erwähnenswert, da es viel aussagekräftiger ist als die deutsche Klassifizierung.

Wie so oft fahren die USA einen sehr pragmatischen Weg. Das Mehl heißt einfach so wie man es benutzen soll. Cake Flour ist für Kuchen, All Purpose Flour kann man für alles mögliche nehmen und Bread Flour ist für Brot. Wobei Bread Flour dort tatsächlich einen sehr hohen Glutengehalt hat. Für ernsthafte Pizza scheint es aber so als würden die meisten Pizzaiolos auf importiertes italienisches Mehl (oft von Caputo) zurückgreifen, was es dort relativ gut und günstig zu kaufen gibt (War noch nie in den USA, aber ich entnehme das so meinen ausführlichen Internetrecherchen).

Eiweißgehalt

Unabhängig von irgendwelchen nationalen Vorschriften muss auf jedem Lebensmittel in der EU eine Nährwerttabelle angegeben werden. Dabei wird auch immer der Eiweißgehalt aufgeführt. Man kann in den meisten Fällen davon ausgehen das ein hoher Eiweißgehalt auch auf einen hohen Glutengehalt hindeutet. Wenn man sich verschiedene Mehle anschaut sieht man das der Unterschied in Prozentpunkten gar nicht so groß ist. Zwischen ~9% bei 405er und 13-14% bei speziellen italienischen Pizzamehlen. Dieser kleine Unterschied lässt aber erheblich andere Teige entstehen.

Fazit (TL;DR)

Soll man also Tipo 00 Mehl kaufen wenn man Pizza machen will? Wenn man die Möglichkeit hat sollte man das tatsächlich tun. Die italienischen Müller arbeiten seit Jahrhunderten daran Mehl für genau diesen Anwendungszweck herzustellen und das merkt man auch. Im übrigen haben die Deutschen auch perfektes Mehl für Brot und die Franzosen perfektes Mehl für Baguette entwickelt. Allerdings sollte man unbedingt darauf achten das man nicht aus versehen ein Tipo 00 für Pasta oder Gebäck kauft. Normalerweise steht immer irgendwo explizit etwas von Pizza auf der Packung oder es gibt zumindest eine Zeichnung einer Pizza. Empfehlenswert und weltweit sehr beliebt bei Pizzabäckern sind die Mehle von Caputo. Bekommt man im Internet eigentlich sehr gut zu kaufen und zu einem vernünftigen Preis.

Generell sollte man am Mehl wirklich nicht sparen. Auch wenn man wirklich teures Mehl kauft wird es nie mehr als 2-3€/Kilo kosten. Auf den Preis der Pizza hat am Ende kaum Auswirkungen.

Hat man nicht die Möglichkeit Tipo 00 zu kaufen, sollte man auf Type 550 ausweichen. Bei der Auswahl der Marke kann man die Nährwerttabelle zu rate ziehen und sollte einen möglichst hohen Eiweißgehalt bevorzugen. Der kann nämlich auch bei 550er durchaus zwischen 9,5 und 13% schwanken.

Es gibt auch einige spezielle Pizzamehle von deutschen Herstellern. Die Qualität dieser Spezialsorten schwankt meiner Meinung nach aber sehr. Manche sind einfach nur Mischungen aus Weizenmehl und Hartweizengrieß, was vermutlich den Teig etwas leichter zu verarbeiten machen soll. Andere sind vom Eiweißgehalt her kaum von 550er zu unterschieden, vom Preis her aber schon. Es finden sich allerdings auch durchaus gute Vertreter, oft von kleineren Mühlen. Ich habe selbst schon recht anständige Pizzen damit hinbekommen. Ausprobieren hilft hier sehr.

Im zweiten Teil der Artikelserie geht das dann um den Teig.

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